Die Europaeische Union von aussen gesehen (eine asiatische Perspektive)

                                                            Toru Kumagai

1  Einfuehrung

Meine Damen und Herren,

Herr Dr. Ludolf von Wartenberg,

Zunaechst moechte ich mich herzlich bedanken, dass Sie mich zu diesem Seminar eingeladen haben. Es ist eine grosse Ehre fuer mich, als der erste Redner hier auftreten zu duerfen. Ich bin auch froh, in Berlin einen Vortrag halten zu koennen, weil diese Stadt in meinem Leben eine besonders wichtige Rolle gespielt hat.

Als ich 1989 als Auslandskorrespondent eines japanischen oeffentlich-rechtlichen Fernsehsenders in Washington DC gearbeitet habe, kam die Nachricht vom Mauerfall aus Deutschland.Mein Arbeitgeber hat mich 2 Wochen lang nach Berlin geschickt, weil es nicht viele japanische Journalisten gab, die auf Deutsch recherchieren koennen.

Was ich dann in dieser Stadt kurz nach der Maueroeffnung gesehen habe, hat mich sehr beeindruckt, besonders weil ich vorher geschaeftlich und privat oft die Bundesrepublik und die geteilte Berlin oft besucht hatte. Ich habe mich gefreut, dass die Teilung ueberwunden wurde, weil ich die geteilte Stadt als etwas extrem unnatuerliches empfunden hatte. Als ich dann die ostdeutschen Buerger am Potsdamer Platz gesehen habe, die durch die ehemalige Todeszone nach Westberlin marschieren, war ich fest davon ueberzeugt, dass sich nicht nur Deutschland sondern auch Europa von jetzt an dramatische, gruendliche Aenderungen erleben werden.

Zum Teil wegen dieser ueberwaeltigenden Erfahrung in Berlin habe ich 1990 angefangen, in Deutschland als Journalist taetig zu sein, weil ich diese historische

Aenderung vor Ort und langfristig beobachten und darueber schreiben wollte.

In diesem Sinne hat die Stadt Berlin eine spezielle Bedeutung fuer mich. Bevor ich anfange, ueber die Europaeische Union zu sprechen, moechte ich Sie um Verstaendnis bitten, dass meine Auffassungen japanische Perspektive sind und nicht

das ganze Asien reprasentiert.

2  Zur Waehrungsunion

Als der Euro letztes Jahr wirklich zustande kam, habe ich gespuert, dass die Mehrheit der japanischen Bobachter die Gruendung der Waehrungsunion mit Erstaunen aufgenommen haben.

Es ist zum Teil darauf zurueckzufuehren, dass die meisten Japaner den groessten Wert auf die Informationen aus Amerika und Grossbritannien legen. Fuer die meisten Japaner sind die Vereinigten Staaten immer noch das wichtigste Ausland. Amerika ist der groesste Absatzmarkt fuer Japan, der ca. 28% des japanischen Exports absorbiert.

Japanische Medien haben mehr Korrespondenten in den Vereinigten Staaten als in den europaeischen Laendern. Die japanische Bevoelkerung wird entsprechend mit mehr Nachrichten ueber Amerika als Europa versorgt. Fuer viele Japaner ist Europa immer noch ferner als die USA. In Europa wohnen die meisten Japaner in Grossbritannien, weil London eins der wichtigsten Finazzentren der Welt hat.

Wie Sie wissen, gibt es in Amerika und Grossbritannien skeptische Auffassungen zur Waehrungsunion. Die meisten japanischen Beobachter waren von Informationen aus diesen zwei Laendern abhaengig und deshalb von der skeptischen Meinung der angelsaechsischen Experten beeinflusst. 

Die groesste Ueberraschung unter den Japanern hat meines Erachtens die Entscheidung der Deutschen verursacht, auf die DM zu verzichten. Viele Japaner konnten sich nicht vorstellen, dass die Deutschen sich von der stabilen, starken Nationalwaehrung verabschieden. Wir wussten, dass die DM fuer die Deutschen nicht nur ein Zahlungsmittel sondern auch eine Symbole des Wirtschaftswunders nach dem Krieg war.

Nachdem ich Abteilungsleiter des Finanzministeriums, der Bundesbank und der deutschen Finanzinstitute interviewt habe, war ich auch davon ueberzeugt, dass die Einfuehrung des Euro und der Export der DM nach Europa der richtige Weg ist, um die Stabilitaet und die Prosperitaet der deutschen Wirtschaft langfristig abzusichern, auch wenn es mit kurzfrisitigen Turbulenzen und Risiken behaftet ist.

Es gab Stimmen, dass die Euroschwaeche gegenueber Dollar und Yen in diesem Jahr zum Teil auf die Enttaeuschung der japanischen und asiatischen Anleger zurueckzufuehren ist, die bei der Einfuehrung des Euro auf diese neue Waehrung massiv investiert haben.

Das Verhalten der asiatischen Anleger zeigt, dass sie von der Wettbewerbsfaehigkeit des Eurolandes noch nicht so ueberzeugt sind wie von Amerika. In den Augen der asiatischen Anleger ist zum Beispiel die geringe Mobilitaet der Arbeitskraefte und verschiedene Regulierungen fuer wirtschaftliche Aktivitaeten im Euroland immer noch ein Nachteil.

Aber ich sehe jetzt Zeichen der Aenderung. Meiner Meinung nach wissen japanische Unternehmen, dass es langfristig wichtig ist, im Euroland Fuss zu fassen. Es gilt vor allem fuer die Direktinvestition.

In den letzten 10 Jahren ist der Betrag der Direktinvestition der japanischen Unternehmen in der EU insgesamt um 50 % gewachsen. Bemerkenswert ist, dass japanische Unternehmen letztes Jahr ihre Direktinvestition in den Mitgliedstaaten der Waehrungsunion wie Holland, Frankreich und Spanien drastisch erhoeht haben.

Japanische Automobilhersteller, die wegen der niedrigen Steuer und der flexiblen Arbeitszeitregelung ihre Produktionsstaette in Grossbritannien konzentriert hatten, leiden im Moment enorm unter der Euro-Schwaeche. Deshalb draengen sie die britische Regierung zum Beitritt zur Waehrungsunion. Wenn die Volksabstimmung zeigt, dass die Briten draussen bleiben wollen, werden japanische Unternehmen mit Sicherheit mehr Produktionsstaette im Euroland eroeffnen.

Leider ist die japanische Direktinvestition in Deutschland seit 1989 um 50 % zurueckgegangen. Es ist hauptsaechlich auf die relativ hohen Arbeitskosten und die hohe Staatsquote zurueckzufuehren. Ausserdem haben viele japanische Unternehmen kurz nach dem Mauerfall das Investitionsvolumen in Deutschland mit der Erwartung drastisch erhoeht, dass es mit der neuen politischen Entwicklung zu einem grossen wirtschaftlichen Aufschwung kommen wird. Der Rueckgang der Investition wird auch mit dem Ende dieser Euphorie erklaert. Die schwere Rezession in Japan, die man zum ersten Mal seit 22 Jahren erlebt, hat auch eine Rolle gespielt.

Ich bin trotzdem zuversichtlich, dass das Steuersenkungsgesetz, das ab naechstes Jahr in Kraft treten wird, positive Auswirkungen auf die kuenftige Investitionsentscheidung der japanischen Unternehmen in Deutschland haben wird. Ausserdem verfolgen japanische Unternehmen mit grossem Interesse, inwieweit es der Bundesregierung mit der Rentenreform gelingen wird.

Wenn es den Deutschen gelingt, die Lohnnebenkosten durch eine grundlegende Umstruktuierung des Sozialversicherungssystems zu senken, wird es kuenftige Entscheidung zur Investition in diesem Land positiv beeinflussen.

3 Politische Integration

Im Vergleich zur wirtschaftlichen Integration der EU findet die politische Integration noch wenigere Beachtung in Japan. Ich finde es bedauerlich, weil die Uebertragung der waehrungspolitischen Souveraenitaet an die Europaeische Zentralbank bereits ein hoechst politisches Unterfangen ist. Leider ist der starke Wille der EU, ein hoeheres Niveau der politischen Integration zu erreichen, in Japan noch nicht anschaulich vermittelt.

In diesem Sinne hat der deutsche Aussenminister Fischer meiner Meinung nach einen wichtigen Schritt mit seiner Rede am 12. Mai diesen Jahres an der Humboldt Universitaet ergriffen und auch an nichteuropaeische Beobachter ein bedeutendes Signal gesendet.

Jetzt hat er uns klargemacht, dass er eine Europaeische Foederation mit dem europaeischen Parlament und einer Regierung anstrebt, die auf einem Verfassungsvertrag gegruendet wird. Ich finde es bemerkenswert, dass er auf diese Weise eine Diskussion zur politischen Integration Europas in der Oeffentlichkeit und insbesondere zwischen Deutschland und Frankreich wiederbelebt hat.

In den letzten 20 Jahren habe ich verschiedene Laender in Europa besucht und wurde von der Vielfalt der Identitaet, Kultur und Mentalitaet in dieser Region fasziniert. Diese Vielfalt ist die Staerke Europas. Ich bin von den intensiven Bemuehungen zur Vertrauensbildung unter den europaeischen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg beeindruckt.

Trotzdem vermisse ich noch eine "europaeische Identitaet". Abgesehen von den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Eliten fehlt noch in meinen Augen ein starkes Bewusstsein als Europaeer. Ich finde es wichtig, proaktiv eine europaeische Identitaet zu verstaerken und bewusst zu machen, wenn man die politische Integration vertiefen will.

Ich sehe im Moment zwei Bewegungen in ganz anderen Richtungen. Eine Bewegung ist von den Bemuehungen der meisten europaeischen Staaten symbolisiert, die wirtschaftliche und politische Integration zu vertiefen, indem man einen Teil der Entscheidungsbefugnisse an supranationale Organisation uebertraegt.

Die andere Bewegung ist vom Verhalten der oesterreichischen Waehler symbolisiert, die die Beteiligung der FPOE an der Koalitionsregierung ermoeglicht haben. Die zweite Bewegung ist das Warnsignal vom Teil der Bevoelkerung, die Angst vor der bevorstehenden Integration und Ost-Erweiterung der EU hat. Sie fuehlen sich vernachlaessigt und benachteiligt. Der Rueckschlag in Oesterreich zeigt die Unzufriedenheit und Entfremdung der Buerger, die den Eindruck haben, dass eine riesengrosse Buerokratie in Bruessel lebenswichtige Entscheidungen trifft, ohne sie zu fragen.

Diese Unzufriedenheit darf man nicht unterschaetzen. Meiner Meinung nach sollen sich die EU und die Mitgliedstaaten darum bemuehen, die Angst und Entfremdung der Buerger zu reduzieren, weil solche Buerger fuer die Verfuehrung der Populisten und Extremisten anfaellig sind. Ohne breite Unterstuetzung und verstaerkte Identitaet als "Euroapeer" unter den Buergern wird der Integrations- und Erweiterungsprozess der EU moeglicherweise in Zukunft wieder Rueckschlag erleben.

4 Aufarbeitung der Geschichte

Die Aufarbeitung der Vergangenheit ist eins der wichtigsten Themen fuer mich, weil ich aus Japan komme. Man kann allerdings Deutschland und Japan nicht einfach vergleichen, weil die geschichtlichen Umstaende waehrend des Krieges und nach dem Krieg in Europa und Asien verschieden waren.

Trotzdem kann meines Erachtens niemand bestreiten, dass die freundschaftliche Beziehung zwischen Deutschland und Nachbarlaendern heute viel tiefer ist als die Beziehung zwischen Japan und asiatischen Nachbarn. Deutschland hat mehr Freunde in Europa als wir in Asien.

Ohne die Bemuehungen der Westdeutschen, sich mit der Vergangenheit kritisch auseinander zu setzen, waere das Misstrauen der Nachbarstaaten zur Wiedervereinigung viel groesser gewesen, und die europaeische Integration waere nicht so fortgeschritten wie heute. Selbstverstaendlich waren die Bemuehungen der Deutschen nicht perfekt, trotzdem bewundre ich, was die Deutschen bisher geleistet haben, wenn ich es mit unseren Bemuehungen in Asien vergleiche.

Ich muss leider zugeben, dass wir Japaner nach dem Zweiten Weltkrieg nicht so viele Hausaufgaben wie die Deutschen gemacht haben. Erst in den 90er Jahren hat die japanische Regierung angefangen, sich offiziell kritisch mit der Vergangenheit auseinander zu setzen. In Japan gibt es zum Beispiel immer noch keinen Konsens zu manchen historischen Ereignissen, und es gibt immer noch peinliche Kontroverse zur Zahl der Opfer waehrend des Massakers in Nanking. Die Revisionisten haben groesseren Einfluss in der japanischen Oeffentlichkeit als diese in Deutschland. Im Vergleich zu Deutschen lernen japanische Jugendliche viel weniger ueber die Schaeden, die die Generation vor uns den Nachbarstaaten angerichtet hat.

Da wir eine entschlossene, kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte lange versaeumt haben, ist unsere Beziehung zu Nachbarstaaten auch auf offizieller Ebene zum Teil immer noch von der Vergangenheit belastet.

Im Gegensatz zu Asien, wo Laender wie China und Taiwan die Ausgaben fuer die Verteidigung erhoehen, schrumpft das Verteidigungsbudget in Europa nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion drastisch. Ich freue mich fuer Europa, dass die Gefahr des Krieges zwischen den westeuropaeischen Staaten praktisch verschwunden ist. Auch die Gefahr des Bodenkrieges gegen die oestlichen Laender hat sich mit dem Ende des Ost-West Konflikts drastisch reduziert.

Wenn man an die europaeische Geschichte bis Mitte des 20. Jahrhunderts denkt, die oft mit Blut und Eisen gezeichnet worden war, ist der Frieden von heute keine Selbstverstaendlichkeit, sondern eine grosse Leistung der Europaeer. Ich finde die Entwicklung der Integration in Europa faszinierend, weil ich diese positive Entwicklung in Asien vermisse.

Die Identitaet als Asiat ist noch weniger entwickelt als Identitaet als Europaeer. In Asien ist eine Waehrungsunion in absehbarer Zukunft kaum vorstellbar, weil asiatische Laender politisch, sozial und wirtschaftlich noch diversifizierter     sind als die europaeischen Staaten. Ausserdem ist der Grad der politischen Vertrauensbildung unter den asiatischen Landern nicht so hoch wie in Europa.

Ich finde es interessant, dass die erste Beteiligung der Deutschen an einem Kampfeinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg waehrend der Kosovo-Krise keine Angst oder Misstrauen unter den Nachbarlaendern gegenueber den Deutschen hervorgerufen hat. Selbst in Polen war Kritik kaum zu hoeren.

Ich interpretiere es als Beweis dafuer, dass es der Bundesrepublik nach den Bemuehungen in den letzten 50 Jahren langsam gelingt, die Nachbarstaaten zu ueberzeugen, dass sich Deutschland in die westliche Wertegemeinschaft eingebettet hat und keinen Alleingang mehr wagt. Diese Vertrauensbildung ist meiner Meinung nach eine wichtige Voraussetzung fuer die europaeische Integration.

Umso bedauerlicher finde ich, dass eine kleine Minderheit der Rechtsradikalen jetzt versucht, mit ihrer Gewalttat dieses positive Deutschlandbild nach aussen zu beschaedigen. Im Ausland hoere ich zunehmend Fragestellung, warum es den Deutschen immer noch nicht gelingt, die Ermordung oder die Verletzung der Auslaender durch die Rechtsradikalen zu verhindern.

Ich bin in den letzten 10 Jahren oft in den neuen Bundeslaendern gereist, und habe bisher gluecklicherweise nichts Negatives persoenlich erlebt. Ich kenne jedoch einige Japaner, die dort ziemlich unangenehme Sachen erlebt haben.

Ich weiss, dass der groesste Teil der deutschen Gesellschaft entschlossen gegen die Auslaenderfeindlichkeit ist. Aber die Nachrichten ueber die Gewalttaten durch die Rechtsradikalen machen ueberproportional grosse Schlagzeilen im Ausland, und koennten auslaendische Unternehmen bei der Investitionsentscheidung in den neuen Bundeslaendern zoegern lassen.

Ich wuensche mir verstaerkte Bemuehungen der Bundesregierung, Landesregierungen und der privaten Wirtschaft, den Rechtsradikalismus zu bekaempfen, und die Verfuehrung der Jugendlichen durch Populisten zu verhindern.

Die demographische Entwicklung und Prognose zeigen, dass Deutschland im 21. Jahrhundert ohne weitere Zuwanderung das Sozialversicherungssystem und den heutigen Wohlstand nicht aufrecht erhalten kann. Die drastische, nicht kontrollierte Vergroesserung des Auslaenderanteils in der Bevoelkerung koennte zu einer Reibung mit den Einheimischen fuehren, bosonders wenn eine Gesellschaft nicht darauf vorbereitet ist. In der heutigen EU mit der offenen Grenze kann ein Land alleine die Zuwanderung unter Kontrolle halten.

In diesem Sinne finde ich wichtig fuer die Zukunft der EU, eine europaweite, gemeinsame Politik zu entwickeln, um die Integration der Immigranten in der EU zu foerdern und die Einwanderung in die einzelnen Mitgliedstaaten besser zu koordinieren.

5 Beziehung zu Amerika

Ich befuerworte die Vertiefung der politischen Integration der EU, vor allem in der Verteidigungs -und Aussenpolitik, weil es auch in unserem Interesse ist. Nach dem Ende des Ost-West Konflikts sind die Vereinigten Staaten die einzige Uebermacht in der Welt geworden. Ich bedaure, dass Amerika seitdem verstaerkt eine Tendenz des Unilateralismus zeigt. Ein symbolisches Beispiel ist die Verweigerung des amerikanischen Senats letzten Jahres, den Atomteststoppvertrag zu ratifizieren. Es war das erste Mal seit der Ablehnung des Versailler Vertrags im Jahr 1920, dass der amerikanische Senat ein wichtiges internationales Abkommen zurueckgewiesen hat.

Wir hatten bisher keinen grossen Einfluss auf die Vereinigten Staaten, weil wir militaerisch auf die Amerikaner angewiesen sind. Waehrend der Kosovo-Krise haben die USA 80 % der Flugzeuge, die Kampfeinsatz geflogen haben, zur Verfuegung gestellt. Wichtige Entscheidungen wie Angriffsziel wurden fast ausschliesslich von den Amerikanern getroffen. Wer keinen grossen Beitrag leistet, hat keinen Einfluss auf lebenswichtige Entscheidungen.

In diesem Sinne finde ich es positiv und wichtig, dass die Europaeer jetzt unter dem Stichwort ESDI (European Security Defense Identity) darum bemueht sind, die Faehigkeit und die Infrastruktur zum Krisenmanagement und Friedenserzwingungseinsaetzen zu entwickeln, auch wenn sich amerikanische Streitkraefte daran nicht beteiligen. Mein Wunsch ist, dass sich die Europaeische Union in Zukunft mit der Vertiefung der politischen Integration zu einem Partner mit Gegengewicht fuer die USA entwickelt. Wir muessen natuerlich keine Konfrontation mit den Amerikanern suchen. Ich finde es jedoch wichtig fuer die ganze Welt, dass die USA in Europa einen Partner und Ratschlaggeber auf gleicher Ebene finden, damit die Amerikaner vom Unilateralismus absehen.

Meiner Meinung nach ist die European Security Defense Identity ein richtiger Schritt. Japan und Europa haben gleiches Interesse, dass Amerika in Zukunft Multilateralismus mehr als heute repektiert. In diesem Sinne glaube ich, dass Japan und Europa in Zukunft verstaerkt Meinungen austauschen und ihre aussenpolitische Linie besser koordinieren sollten.

6 Die Perspektive

Die Beziehung zwischen Europa und Japan hat in den letzten Jahrunderten einen grossen Wandel erfahren. Als ein portugiesisches Schiff im 16. Jahrhundert auf einer japanischen Insel gestrandet ist, hat die Beziehung zwischen Europa und Japan angefangen. Die Handelsbeziehung zwischen Portugal, Holland und Japan hat jedoch nur knapp 100 Jahre gedauert, weil sich Japan zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert dem Ausland verschlossen hat, hauptsaechlich um den Einfluss des Christentums abzuwehren.

Als die amerikanische Regierung im Jahr 1853 Kriegsschiffe nach Japan schickte und die Eroeffnung des Landes verlangte, hatte Japan wegen der 200 Jahre lange Isolierung einen wirtschaftlichen und technologischen Zustand des 14. Jahrhunderts des Europas. Die Japaner haben nach der Eroeffnung des Landes angefangen, sich rasch zu industrialisieren und aufzuruesten, zum Teil um die Kolonialisierung durch westliche Maechte abzuwehren. Dabei haben die Japaner hauptsaechlich europaeische Laender wie Deutschland, Frankreich und England als Vorbild und Lehrer betrachtet. 

Wir haben nicht nur Waffen sondern auch Gesetzsystem und Wissenschaft aus Europa eingefuehrt. Es war fast unumgaenglich fuer die japanischen Intellektuen von damals, sich mit der europaeischen Kultur, Wissenschaft und Werten zu beschaeftigen.

Manche deutsche Woerter aus Medizin und Philosophie wurden damals ins Japanisch uebernommen, und man findet sie auch heute noch in japanischem Woerterbuch. Mein Schwiegervater hat vor dem Zweiten Weltkrieg an einem Gymnasium in Japan nicht Englisch sondern Deutsch als die erste Fremdsprache gelernt. Damals war Europa das Zukunftsbild fuer viele Japaner.

Japan hat 1905 einen Krieg gegen Russland gewonnen. Das bedeutet, dass Japaner durch Intensivkurs bei Europaeern schon in 50 Jahren nach der Eroeffnung des Landes die Faehigkeit angeeignet haben, um Russland militaerisch zu besiegen. Ohne europaeische Hilfe in Technologie und Wissenschaft waere es nicht moeglich gewesen.

In der zweiten Haelfte des 20. Jahrhunderts ist jedoch das Interesse der Japaner an Europa rasch zurueckgegangen. Das Vorbild fuer Japan nach dem Zweiten Weltkrieg ist nicht Europa sondern Amerika. Heute studieren viel mehr japanische Studenten in Amerika als in einzelnen europaeischen Laendern. Diese Tendenz wird sich verstaerken ,weil die USA vor allem im wichtigen Bereich wie Informationstechnologie, Biotechnologie und Nanotechnologie fuehrende Rolle spielen.

Unter den japanischen Intelektuellen spuere ich eine leichte Enttaeuschung ueber Europa. Manche wagen sogar zu sagen, dass man aus Europa nichts mehr lernen kann.

Dieser Rueckgang an Interesse ist darauf zurueckzufuehren, dass Europa sich durch zwei Kriege erheblich beschaedigt hat und sich als eigener Faktor aus der Weltpolitik verabschiedet hat. Bis zur Aufloesung des Ostblocks haben zwei aussereuropaeische Maechte, die USA und die Sowjetunion, die Geschicke des alten Kontinents bestimmt.

Die wirtschaftliche und politische Integration der EU ist meines Erachtens eine wichtige Etappe im Prozess zur Rueckgewinnung der Position, die Europa in zwei Weltkriegen verloren hat. Das Wort wie "Eurosklerose", das man in den 80er Jahren oft gehoert hat, gehoert heute wegen der Dynamik im Euroland endgueltig zur Vergangenheit.

Die Bemuehungen der europaeischen Laendern zur Integration zeigen, dass eine Bildung der Wertegemeinschaft und die partielle Uebertragung der Souveraenitaet zu einer supranationalen Organisation auch in einer Region moeglich ist, die vom Krieg und Fanatismus erschuettert wurde.

Asien ist auch eine Region, wo die Kriege tiefe Wunden hinterlassen haben, die noch nicht ganz geheilt sind. In diesem Sinne kann Asien noch viel aus Europa lernen. Ich bin zuversichtlich, dass das Interesse der Japaner und anderen asiatischen Staaten an Europa wieder steigen wird, wenn sich die Europaeische Union in Zukunft als erfolgreiches Integrationsmodell erweist, und wenn Europa zu einem Gegengewicht zu den USA waechst.

Vielen Dank